Am 27. August 2022 erinnert der Förderverein Südwestkirchhof Stahnsdorf mit der Aufführung des Stummfilms „Nosferatu“ – Symphonie des Grauens des Regisseurs Friedrich Wilhelm Murnau (28.12.1888 – 11.3.1931) an den bedeutenden Filmschaffenden der zwanziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts.
Die Kulisse für die besondere Gedenkveranstaltung in der Nähe seiner Grabanlage auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf bietet in der Abenddämmerung viel Licht und Schatten. Vor allem die Sprache der Schatten spielte vor 100 Jahren bei der filmischen Umsetzung der literarischen Vorlage von Bram (Abraham) Stoker (1847-1912) „Dracula“ eine große Rolle. Die sogenannte sogenannte „entfesselte“ (beweglichen Kamera) bot die filmtechnische Voraussetzung für den „schattensprachlichen“ ersten Vampirfilm des deutschen Kinos, vielleicht den besten der bisher produzierten Horrorfilme?
Hier gibt es weitere Informationen zu den Veranstaltungen des Fördervereins
Wo wurde das expressionistische Urbild aller Horrorfilme „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ gedreht? In einem Studio, in dem sich Schattenbilder sicher leichter herstellen lassen als an Originalschauplätzen in der Natur? Wir staunten nicht schlecht, als wir bei unserem letzten Aufenthalt in der alten Hansestadt Wismar während eines Spaziergangs innerhalb der mittelalterlichen Stadtbefestigung das Wassertor am Alten Hafen passierten. Da wir leidenschaftlich gern alte und neue Gullideckel suchen, weil sie oftmals stadtgeschichtliche Informationen bieten, gehen unsere Blicke vielleicht häufiger als bei anderen Gästen der Stadt nach unten. Und wir staunten nicht schlecht, als wir statt eines Gullideckels eine Erinnerungstafel in der Gestalt eines Filmausschnitts an Friedrich Wilhelm Murnau im Boden eingelassen sahen.
Der Nosferatu-Rundgang in Wismar
Und es gab auch Informationen dazu:
„NOSFERATU
Regie Friedrich Wilhelm Murnau
Ein Meisterwerk des Expressionismus
Hier gedreht im Jahre 1921“
Wow, das sind die kleinen, großen Glücksmomente für uns, die uns immer wieder während unserer Reisen überraschen. Friedrich Wilhelm Murnau ist schon seit über 30 Jahren eine Person, an deren Grabstätte wir auf dem Stahnsdorfer Friedhof wohl hundertfach vorbeigegangen und stehen geblieben sind, mit dessen Biografie wir uns immer wieder aus den unterschiedlichsten Gründen beschäftigt haben. Hier in Wismar, unserer Lieblingsstadt an der mecklenburgischen Ostseeküste, deren restaurierte historische Altstadt 2002 zum UNESCO-Kulturerbe erhoben wurde? Mehrere Kriege hatten ihr schwere Wunden zugefügt, dann die Zeit des Sozialismus, in der alte Häuser weder leben noch sterben konnten. Doch immer wieder erstand sie in alter Schönheit, verschwanden die langen Schatten der Zerstörung. Die Einwohner haben ihre Stadt mit ihren wunderschönen historischen Bauten trotz wirtschaftlicher Niederlagen nie aufgegeben. Deshalb hoffen wir auch, dass der über die riesige Montagehalle der einstigen Mathias-Thesen-Werft liegende Schatten einer totalen Schließung vertrieben werden kann durch eine Neunutzung. Vielleicht kann das fast fertige größte Kreuzfahrtschiff der Welt, „die Gobal Dream“, Filmkulisse für die Verwandlung eines „Lost Places“ in eine Sehenswürdigkeit einer ehemals funktionierenden technischen Werft-Einrichtung sein? Doch von diesen Vorgängen um die Insolvenz der chinesischen Genting Hong Kong konnte der Filmausstatter und Produzent Albin Grau Anfang der 20er Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts noch nichts ahnen. Aber damals wie heute lieferte industrialisierte technische Welt immer längere, dunklere Schatten. Dazu Krankheiten – wie die Pest – die den Menschen die Kraft zum Leben nehmen. Bei Stoker saugt das Vampir das Blut aus den Menschen.
Murnau selbst gibt in seinem Film den Hinweis für die Kulissenwahl in Wismar. Im Film überquert der liebeskranke Nosferatu (rumänisch u. a. für Untote) mit seinem Sarg von der Tittentasterstraße den Marktplatz, um über die Sargmacherstraße zur Marienkirche zu gelangen.
Vorbei an der Wasserkunst, die bis 1897 der Wasserversorgung Wismars diente. Baumeister Philipp Brandin lieferte die Pläne für das von 1580 bis 1602 errichtete Schmuckstück. Beinahe die gesamte Nordseite beansprucht das 1817 bis 1819 nach Plänen von Johann Georg Barca errichtete Rathaus. Vom ersten Rathausgebäude (14. Jahrhundert) sind noch die Gerichtslaube im Westflügel und die Kellergewölbe vorhanden.
Nur wenige Meter westlich des Marktes ragt der mächtige Turm der Marienkirche (1339) auf. 1945 ist das Kirchenschiff in der Nacht vom 14. bis 15. April von mehreren Luftminen schwer beschädigt worden. Obwohl nicht akut einsturzgefährdet, nutzten die DDR-Oberen die Gunst der Stunde und ließen wie z. B. in Wismar im August 1960 die für die Ewigkeit gebaute Kirche sprengen. In Potsdam fiel in dieser Zeit die Garnisonkirche der Sprengung anheim. Als Symbole der „Kriegsverherrlichung“ und der mentalen Unterdrückung des arbeitenden Volkes waren sie nicht mehr zeitgemäß. Zudem bestimmten viele Kirchen mit ihren hohen Türmen die Silhouette einer Stadt. Hochhäuser oder andere hohe Gebäude konnten sie zu der Zeit noch nicht „einfangen“. Ein Abriss kam da gerade recht, trotz Bürgerprotest. In den vergangenen Jahren wurde mit Mitteln von Stadt, Land, Bund, Deutscher Stiftung Denkmalschutz und mit Spenden engagierter Bürger der verbliebene Turm geschlossen und mit Installationen soweit ausgerüstet, dass wieder eine Nutzung für Veranstaltungen möglich ist. Der Grundriss des ehemaligen Kirchenschiffes wurde durch niedrige Mauern wieder sichtbar gemacht.
Für Murnau (Regisseur), Grau (Produzent) und Wagner (Kameramann) war die Backsteingotik, die Ernst Barlach einst „eine erhabene Hysterie nannte, die richtige Kulisse für ihre „Symphonie des Grauens). In unmittelbarer Nähe der St. Marienkirche, an der monumentalen gotischen Backsteinkirche St. Georgen schleppt der liebeskranke Nosferatu aus Transsylvanien seinen schattenwerfenden Sarg vorbei. Warum nehmen Vampire immer ihre Särge mit? Bram Stoker schreibt, dass sie nur in ihrer Heimaterde schlafen können.
Blick auf die Kirche St. Nikolai
In Erinnerung an Murnau und zur Würdigung seines Meisterwerks „Nosferatu“organisiert der Förderverein des Südwestkirchhofs Stahnsdorf einen Stummfilmabend im August 2022. In der Nähe des Murnau-Grabes werden seine Filme „Nosferatu“ und „Sunrise“ gezeigt und damit ein ganz außergewöhnliches Gedenken und Erinnern zelebriert. Die musikalische Improvisation zu den Filmen bietet der renommierte Stummfilmkomponist Stepahn Graf von Bothmer aus Berlin.
Hier weitere Informationen zum Stahnsdorfer Südwestkirchhof.
Termin: August 2022
Ort: Südwest-Kirchhof Stahnsdorf, Bahnhofstraße
Weitere Information: www.suedwestkirchhof.de
Was man in Wismar noch sehen sollte – einige Tipps
An der Südseite der Nikolaikirche, getrennt durch die Frische Grube, steht das Schabbelhaus, ein Wohn- und Brauhaus der Renaissance. Heute ist es Sitz des Stadtgeschichtlichen Museums.
Im Nordwesten der Altstadt befindet sich der Alte Hafen, der seit dem Bau des neuen Hafens nur noch als Fischer- und Touristenhafen genutzt wird. An die lange schwedische Herrschaft in Wismar erinnern die beiden gusseisernen Poller vor dem Baumhaus in Form von zwei Köpfen, den sogenannten Schwedenköpfen. Heute befinden sich im Baumhaus u.a. eine Maritime Dauerausstellung und der Förderverein der Poeler Kogge. Vorbei an alten Hafenspeichern, von denen der größte Teil schon restauriert und beispielsweise als Ferienwohnungen genutzt wird, erkunden wir die Hafengegend.
Die Originale der Schwedenköpfe, Herkulesbüsten in barocker Bemalung, gefallen uns. Sie standen einst auf Dalben in der Hafeneinfahrt in Höhe von Wendorf. Herkunft und Bedeutung sind nicht eindeutig belegt. Nachgewiesen ist, dass 1672 ein Pfahl, der äußerste der Hafenbegrenzung, als „Schwede“ bezeichnet wurde und dass Anfang des 19. Jahrhunderts zur Erinnerung an die Schwedenzeit die beiden Köpfe aufgesetzt worden waren.
Hansestadt mit Backsteingotik
Wismar glänzt mit mittelalterlicher Backsteingotik, einer historischen Altstadt, die aufwendig restauriert wurde, und imposanten Bürgerhäusern – zu Recht wurde die Stadt von der UNESCO ins Weltkulturerbe aufgenommen. Wir werden sicher noch einmal in die schöne Stadt kommen.
Eine weitere Sehenswürdigkeit ist u.a. der weiträumige, mit einer Seitenlänge von etwa 100 Meter annähernd quadratische Marktplatz von Wismar (er gilt ist einer der größten und schönsten Norddeutschlands). Historische Gebäude säumen das Areal, darunter das Bürgerhaus „Alter Schwede“ (um 1380) an der Ostseite. Es ist das älteste profane Gebäude Wismars (seit 1878 eine beliebte Gaststätte).
Der zierliche, von einer geschwungenen Kupferhaube bedeckte Pavillon, die sogenannte Wasserkunst.
Die Stadt Wismar lädt zu mehreren Veranstaltungen anlässlich 100 Jahre Nosferatu ein.
Übernachtungstipp
Radisson park inn Wismar
Hier weitere Informationen zum Park inn Wismar mit einem überaus freundlichen Service.
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