Hans Kemmer gilt als einer der bedeutendsten Maler der Lübecker Reformationszeit. Bisher war er nur Insidern bekannt. Zu seinem 460. Todestag widmet das Lübecker St. Annen-Museum dem Meisterschüler von Lucas Cranach eine beachtenswerte Sonderausstellung. Es ist eine Art Wiederentdeckung von Hans Kemmer.  Kemmer war so etwas, was man heute Meisterschüler nennen würde. Lernte er doch in der berühmten Wittenberger Werkstatt von Lucas Cranach d.Ä. . Die Ausstellung „Cranach – Kemmer – Lübeck. Meistermaler zwischen Renaissance und Reformation“ stellt jetzt in fulminanter Weise Hans Kemmers Werke mit denen seines Lehrers Lucas Cranach dem Älteren in einen Dialog. Großes Thema der meisterhaft von Dr. Dagmar Täube, der Direktorin des Lübecker St. Snnen Museums kuratierten Schau, ist die Veränderung der Themen in der Kunst bei Cranach und seinem Meisterschüler Kemmer in der Zeit der Reformation und der deutscher Renaissance im Mittelpunkt.

Hans Kemmer, Passionstriptychon des Gotthard von Höveln, um 1540; Nyköping (Schweden), Sörmlands Museum

Hans Kemmer, Passionstriptychon des Gotthard von Höveln, um 1540; Nyköping (Schweden), Sörmlands Museum

Das Lübecker St. Annen-Museum stellt  22 von 29 noch erhaltenen Werken von Hans Kemmer und weitere Kunstwerke von Lucas Cranach und seinen Schülern, darunter 40 Leihgaben aus den berühmtesten Museen der Welt, unter anderem den Niederlanden, Dänemark, Polen und den USA. Es ist die erste Sonderausstellung über Hans Kemmer.

Blick in die Ausstellung

Er ist zurück – der „Cranach von Lübeck“

Als der „Cranach von Lübeck“ gilt der Lübecker Meistermaler Hans Kemmer (um 1495/1500 – 1561), der laut Museumsleiterin Dr. Dagmar Täube vollkommen zu Unrecht nahezu in Vergessenheit geraten ist. In seiner Zeit spielte er  eine herausragende Rolle. Als ideenreicher Maler der Reformation war er in Lübeck bestens vernetzt und erfuhr in seiner Gesellenzeit in Cranachs Wittenberger Werkstatt wichtige Impulse des großen Meisters Lucas Cranach d. Ä.  Die Sonderausstellung „Cranach – Kemmer – Lübeck. Meistermaler zwischen Renaissance und Reformation“, zeigt bis 6. Februar 2022 Werke des Lübecker Künstlers im Dialog mit ausgewählten Gemälden seines berühmten Lehrers.

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Kuratorin Dr. Dagmar Täube mit Cranachs Luther, Foto: Ulf Kersten Neelsen

22 von 29 Werken sind zu sehen

Erstmals sind „Cranach von Lübeck“iner Ausstellung präsentiert, darunter sieben Werke aus dem eigenen Besitz des Museums und einige, die noch nie öffentlich zu sehen waren. Hinzu kommen 42 Exponate Lucas Cranachs sowie seiner Schüler und Nachfolger von 32 renommierten Leihgebern aus ganz Deutschland, den Niederlanden, Schweden, Dänemark, Österreich, Polen und den USA. Schirmherr dieser hochkarätigen Ausstellung ist der Bundespräsident a. D. Joachim Gauck. Kuratiert wurde die Schau von Dr. Dagmar Täube, der Leiterin des St. Annen-Museums.

Lübeck.Kemmer.Kunst

Hans Kemmer, Porträt des Hans Sonnenschein, 1534 und früher, Lübeck, St. Annen Museum

Kunsthistorikerin Miriam Mayer vor der Arbeit Hans Kemmers, Zimmermann’sche Hochzeitsschüssel, 1540, Staatliche Museen Schwerin

Buch der Wette

Buch der Wette, Nr. 338, Blatt 17, Archiv der Hansestadt Lübeck

Lübecker Stadtgeschichte im europäischen Kontext

Lübecks Bürgermeister Jan Lindenau sieht in der Ausstellung einen Beitrag zum lebendigen kulturellen Leben der Hansestadt: „Sie lädt dazu ein, einen herausragenden Maler und somit auch ein Stück Lübecker Stadtgeschichte wiederzuentdecken und in den historischen europäischen Kontext einzuordnen.“ Monika Frank, Senatorin für Kultur und Bildung der Hansestadt Lübeck, erklärt: „Das St. Annen-Museum ist der ideale Ort, um Hans Kemmer im Dialog mit seinem Meister Lucas Cranach d. Ä. zu präsentieren. Die Exponate fügen sich stimmig in die einzigartige Atmosphäre des 1502 gegründeten St. Annen-Klosters ein und machen den Besuch zu einem Erlebnis.“

St.Annen Museum Lübeck Galerie

Eingang zum Museumsquartier

„Die Ausstellung macht es möglich, erstmals einen bisher ungehobenen Schatz des St. Annen-Museums der Öffentlichkeit zu präsentieren.“, so der Leitende Direktor der LÜBECKER MUSEEN, Prof. Dr. Hans Wißkirchen. „In den letzten Jahren konnte die hochkarätige Sammlung an deutscher und niederländischer Malerei des 15. und 16. Jahrhunderts kontinuierlich erweitert werden. Diese strategischen Ankäufe machen es nun zusammen mit kostbaren Leihgaben möglich, Hans Kemmer zu seinem 460. Todestag mit einer ihm gebührenden Ausstellung zu ehren.“

Lübeck.Museum.Kemmer

Museumsleiterin und Kuratorin Dr. Dagmar Täube ergänzt: „Mit der Ausstellung bietet das St. Annen-Museum einen ganz neuen Blick auf einen seiner wesentlichen und international bedeutenden Sammlungsschwerpunkte: die Malerei des 15. und 16. Jahrhunderts. Diese besondere Schau konnte nur realisiert werden, weil zahlreiche Menschen und Institutionen von der Idee überzeugt waren und uns großzügig unterstützt haben. Darum sei allen Förder:innen und Leihgeber:innen aufs Herzlichste gedankt.“

Lübeck.Kemmer.Kunst

Hans Kemmer, Gesetz und Gnade, Museen der Stadt Regensburg

Kostbare Gemälde wie etwa Cranachs „Gesetz und Gnade“, „Christus und Maria“, die Porträts der großen Reformatoren Martin Luther und Philipp Melanchthon, das „Urteil des Paris“ und „Herkules bei Omphale“ sind ebenso zu sehen wie Kemmers „Liebesgabe“, „Christus und die Ehebrecherin“, sein „Passionstriptychon des Gotthard von Höveln“, die „Timmermann’sche Hochzeitsschüssel“ sowie weitere erstmals überhaupt öffentlich gezeigte Porträts Kemmers von bedeutenden Persönlichkeiten seiner Zeit.

Lübeck.Museum.Kunst

Hans Kemmer, Porträt eines Herrn, 1534, Privatbesitz

Hans Kemmer als Zeitgenosse von Martin Luther

Diese wurden für Künstler mit der Einführung der Reformation immer bedeutender, da die im Mittelalter noch so wichtige Jenseitsvorsorge plötzlich keine Rolle mehr spielte und die Nachfrage nach Kunstwerken zur Heiligenverehrung gegen null ging. Daher will die Ausstellung auch den Fragen nach,  wie Lucas Cranach und Hans Kemmer mit dem gesellschaftlichen Umbruch umgegangen sind, welche Rolle der „Unternehmer“ Cranach spielte und welche Impulse Kemmer nach seinen Lehrjahren in Wittenberg mit nach Lübeck brachte. Hier erfuhr er mehr über humanistische Ideen und machte wohl auch persönliche Bekanntschaft mit den entscheidenden Protagonisten der Reformation wie Martin Luther und Philipp Melanchthon. So deutet der Katalog.

Lucas Cranach d. Ältere und Werkstatt, Martin Luther und Katharina von Bora

Lucas Cranach d. Ältere und Werkstatt, Martin Luther, 1525, Lübeck, St. Annen-Museum, und Katharina von Bora, um 1525, Berlin, Staatliche Museen zu Berlin

Meister Cranach über die Schulter geschaut

In dem großen Werkstattbetrieb Cranachs lernte Kemmer schnell und effektiv zu arbeiten. Er sah, wie die „Marke“ Cranach etabliert wurde und lernte die Bildsprache der Reformation kennen, entwickelte sie vielleicht sogar mit. Die innovative Arbeitsteilung und Konzeption von Vater Lucas und seinen Söhnen waren entscheidend für den einzigartigen Erfolg der Cranachs, in deren Betrieb teilweise bis zu elf Mitarbeiter gleichzeitig tätig waren und der als die produktivste deutsche Kunstwerkstatt des 16. Jahrhunderts gilt.

Lübeck.Museum.Kunst

Werkstatt Lucas Cranach (Hans Kemmer), Tafel Hl. Dreifaltigkeit, Chemnitz, Schloßkirche

Wichtigster Maler in der Region

Nach seiner Rückkehr nach Lübeck wurde Kemmer daher schnell zum wichtigsten Maler seiner Region. Nach kurzer Zeit gehörte die Lübecker Führungselite zu seinen Auftraggebern, darunter Ratsherren, Bürgermeister und reiche Kaufleute, für die er neben Gemälden mit den neuen Motiven der Reformation Porträts anfertigte. Neben seinem Haus in der Königstraße und seinem Grab in der Katharinenkirche  (den genauen Bestattungsort in der Kirche kennt man nicht)  finden sich auch heute noch viele Spuren des Malers und seiner Zeitgenossen in der Hansestadt. Ein  spezieller Stadtspaziergang führt zu wichtigen Stationen. Diese sind an einem großen roten „K“ in der Stadt erlebbar.

Epitaph Wittinghoff von Hans Kemmer/1552/ Foto: st.-annen-museum-luebeck-inv.-nr.-122_-

Hans Kemmer, Epitaph Wittinghoff, 1552, Foto: St. Annen-Museum

Moderne Untersuchungstechnik lüftet Geheimnisse

Abgesehen von den Originalen werden in der Ausstellung auch Aufnahmen der hauseigenen Infrarot-Kamera des St. Annen-Museums gezeigt, die Unterzeichnungen und Untermalungen an Kemmers Gemälden sichtbar machen und damit neue wissenschaftliche Erkenntnisse bringen. Vom Sommer 2020 bis Frühjahr 2021 wurden zwei Gemälde von Hans Kemmer aus dem Bestand des St. Annen-Museums aufwendig restauriert. Aus dem finanziellen Nachlass eines Förderers des St. Annen-Museums konnte eine Infrarot-Kamera angeschafft werden, die es ermöglicht, dass die Gemälde intensiv aus der technisch-handwerklichen Perspektive untersucht werden können. Ergebnisse dieser Untersuchungen werden an vier Tafeln im Teil 2 der Ausstellung unter dem Titel „Ans Licht gebracht“ präsentiert.

Lübeck.Museum Sehenswürdigkeiten Kemmer

Restauratorin Karin Schulte untersucht eine Holzfigur unter dem Mikroskop

 

Kinder und Jugendliche entdecken Kunst

Außerdem war es den Initiatorinnen besonders wichtig, ein ansprechendes Angebot für alle Altersklassen zu entwickeln. So gibt es ein Detektiv-Paket für Kinder, digitale Spiele für Jugendliche und Erwachsene, die Spaß daran haben, eine Digistory, einen eGuide und auf der Seite der Lübeck und Travemünde Marketing GmbH (LTM) einen Podcast („Zwischentöne“) zu erleben.

Katalog zur Ausstellung

Zu der Ausstellung ist ein ausführlicher Katalog im Hirmer-Verlag erschienen, der im Museumsshop für 39,90 Euro, im Buchhandel für 49,90 Euro erhältlich ist.Lübeck.Museum.Kemmer

Begleitprogramm

Begleitend zur Ausstellung ist ein umfassendes Programm mit Führungen, Vorträgen, Konzerten und Workshops geplant. Genaue Termine sind dem Programmflyer zu entnehmen.

Sonderausstellung

Ort: St. Annen-Museum
St. Annen-Straße 15, 23552  Lübeck

Hier stellen wir demnächst weitere Schätze des St. Annen Museums Lübeck sowie Sehenswürdigkeiten von Lübeck (darunter die wiedereröffnete Carlebach Synagoge und das Europäische Hansemuseum) vor.

Blick in einen Kreuzgang des St. Annen-Museums Lübeck

Blick in einen Kreuzgang des St. Annen-Museums Lübeck