Wir haben wieder einmal Lust auf einen Besuch in Stettin/Szczecin. Die Hauptstadt Westpommerns im benachbarten Polen ist nur 160 Kilometer entfernt von Berlin und bietet eigentlich ständig Anläasse für einen Kurztrip. Diesmal freuen wir uns beispielsweise auf ein Konzert in der Mieczysław Karłowicz Philharmonie in Szczecin am Freitagabend. Ein besonderes Konzert wurde angekündigt. Und die Philharmonie ist schon von Weitem ein Hingucker: Die auffällige weiße Fassade mit ihren Spitzdächern aus Aluminium erinnert an einen Eisberg oder hanseatische Kaufmannshäuser. Uns gefällt aber auch die großzügige helle Eingangshalle, die an diesem Abend bereits voller erwartungsvoller Menschen ist.
Hier fünf Tipps für Euren Besuch in Stettin.
Wir wollen zum Konzert in der Reihe Grandioso: „Loewe/Mayer/Stettiner Geschichten“, das aus Mitteln der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit gefördert wurde. Partner dieses Konzerts ist der Musikverein Pasewalk e.V. Zunächst gibt es im Vortragssaal ein Einführungsgespräch, in dem das Leben der Komponistin Emilie Mayer und des Komponisten Carl Loewe (1796 Löbejün bei Halle an der Saale – 1869 Kiel) im Mittelpunkt steht. Beide lebten in Stettin, die eine für kurze Zeit, der andere länger (1820 – 1866) als Komponist, Musikdirektor der Stadt und Organist der protestantischen Jakobikirche. So gab Loewe auch Privatunterricht in Klavierspiel, Orgelspiel und Gesang. Auch am Hofe des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. in Sanssouci und Berlin gab Carl Loewe Konzerte. Sein musikalisches Werk umfasst mehr als 400 Balladen, 17 Oratorien, sechs Opern, zwei Sinfonien, Kantaten, Lieder, Klaviersonaten, Kammermusik.
In der Jakobikirche befindet sich eine Gedenktafel für Loewe. Bis heute werden Werke von Loewe in Stettin aufgeführt. Vergessen ist Carl
Loewe nicht.
Bekannte/unbekannte Komponistin in Stettin (polnisch Szczecin)
Anders bei Emilie Mayer (1812 Friedland/Mecklenburg – 1883 Berlin). Sie war eine deutsche Komponistin, in ihrer Zeit hochgefeiert, sehr emanzipiert in einer Männerwelt. Sie komponierte neben Kammermusik und Liedern mehrere Sinfonien und Konzertouvertüren. Mitte des 19. Jahrhunderts war sie Vizechefin der Berliner Opernakademie und Ehrenmitglied der Philharmonischen Gesellschaft in München. Seit ihrem 6. Lebensjahr spielt und komponiert Emilie Mayer Musik, geht zum Studium nach Stettin, wird Schülerin von Carl Loewe, später geht sie auf sein Anraten nach Berlin. Musikjournalistin Antje Rößler schrieb unlängst „Europas größte Komponistin – dieser Ehrentitel ist nicht übertrieben. Emilie Mayer war mit Abstand die produktivste Komponistin des 19. Jahrhunderts: mit acht Sinfonien, 15 Ouvertüren, zehn Streichquartetten. Auch die gestrengen Herren Musikkritiker bestätigten, wenn auch manchmal widerstrebend, ihre Begabung. Sie sprachen vom „weiblichen Beethoven“ und einem „Unikum der Weltgeschichte. Emilie Mayer selbst bezeichnete sich lieber stolz als Berufskomponistin – eine Tätigkeit, die dem Frauenbild ihrer Zeit vollkommen widersprach.“
Eine „Musikbank“ für Emilie Mayer ?
Eine der fruchtbarsten Komponistinnen der Romantik, gelingt, was bis dahin noch keiner Frau gelungen ist: ihre Sinfonien werden in ganz Europa aufgeführt. Doch schon eine Generation später ist Emilie Mayer mit ihrem Werk vergessen. In Stettin gibt es keine Gedenktafel wie für Loewe. In der Einführungsveranstaltung macht der junge Stettiner Denkmalpfleger Michał Dębowski während des Gespräches darauf aufmerksam. Denkmäler mag er nicht so sehr, aber er könne sich eine „Musikbank für Emilie Mayer“ vorstellen, wie es sie in anderen Städten für bekannte Musiker bereits gibt. „Musik lebt, in dem man sie hört.“ – Wir könnten uns diese Bank neben der Stettiner Jakobikirche vorstellen, ganz nah bei ihrem Lehrer Carl Loewe. Unlängst sahen wir so eine Bank gegenüber dem Chopin-Denkmal in Warschau.
Übrigens war das Konzert in der Philharmonie ausverkauft. Und nach dem Beifall des Publikums zu urteilen, wird es nicht das letzte Konzert mit Werken der beiden Musikern gewesen sein, die Stettiner Geschichte und darüber hinaus schrieben.
2012, anlässlich ihres 200. Geburtstags, wurde das Grab von Emilie Mayer auf dem Berliner Dreifaltigkeitsfriedhof wiederentdeckt. Die Biografie von Barbara Beuys „Emilie Mayer Europas größte Komponistin. Eine Spurensuche“ und der Film „Komponistinnen“ erinnert an das Ausnahmetalent. Allmählich finden ihre Werke ins Repertoire zurück.
Mehr Infos zur Philharmonie gibt es hier.
Das Radisson Blue in Stettin/Szczecin
Nach dem Konzert beenden wir den schönen Freitagabend mit einem Abendessen im um die Ecke gelegenen, in wenigen Schritten erreichbare, Hotel Radisson blu. Wir lieben es ob seiner zentralen Lage, die die meisten Sehenswürdigkeiten per Pedes erreichten lässt, zum Beispiel die Haken-Terrasse und das maritime Bildungszentrum.
Auch die Altstadt mit Jakobikirche, dem Schloss der Pommerschen Herzöge sowie der Heumarkt ist nicht weit.
Außerdem fahren direkt vor dem Hotel, Place rodla, einige Tramlinien ab, die man für wenige Zloty nutzen kann (24 Stunden Ticket kostete im März 2023 10 PZLO). Tickets kann man in der Straßenbahn kaufen oder an einem der vielen Kioske am Straßenrand.
Aber auch der Service stimmt im 1992 eröffneten Radisson blu (es war das erste Hotel von Radisson in Polen). Angefangen vom Tiefgaragenplatz, über den freundlichen Empfang mit Empfehlungen für die Gestaltung des Wochenendes, bis hin zur Gestaltung der Zimmer, hell, freundlich, modern, sehr sauber, einfacher Wlan-Empfang.
Und nicht zu vergessen, die kulinarischen Freuden: angefangen mit einem köstlichen Frühstück, an dem es nichts zu mäkeln gibt. An alles ist gedacht, frisches Obst und Gemüse, Joghurt, Wurst, Pasteten, Fisch, Käse, frisch zubereitete Eierspeisen, Würstchen, Speck, selbstgemachte Marmeladen, Küchlein … und vieles mehr. Dazu ein aufmerksamer, sehr freundlicher Service … das alles macht gute Laune für einen schönen Urlaubstag, selbst wenn er sehr trübe daher kommt an diesem Wochenende.
„Renaissance“ Restaurant im Radisson blu
Und wenn man dann noch den Abend mit einem wundervollen Menü im Hotel beenden kann, ist die Freude groß. Wir genießen als Vorspeise die wunderbaren vegetarischen Suppen Avocadocreme mit Ziegenkäse (39 PZLO), gut gewürzt mit Chili und Kokusnuss, Nüssen und Honig.
Und auch der Ramen mit Pak Choi und Tofu (39 PZLO) ist ein Genuss. Alles, was ich mag: Nudeln, Austernpilz, Pak Choi, Sprossen, Räuchertofu und Chili, (opitional auch mit Ei), es schmeckte sehr gut, war gut gewürzt und lecker angerichtet und serviert. Aber auch die Hauptgerichte fanden unseren Beifall. Sowohl das Barramundifilet mit Kaviar (89 PZLO) und das Cremige Risotto mit Steinpilzen (49 PZLO) waren ausgezeichnet zubereitet. Das Fischfilet war auf den Punkt gegart, besonders gut geschmeckt hat uns der gebratene Chicorée, dessen zarter Bittergeschmack zum Fisch und Reis mit schwarzen Linsen harmonierte. Das Risotto mit Steinpilzen und Parmesan war schlotzig und gut gewürzt zubereitet, beide Hauptgerichte sehr üppig. Dazu wählten wir einen polnischen lokalen Wein (Turnau Solaris 2022, 75 cl/160 PZLO), der mit seiner fruchtigen Note sehr gut mit unseren Gerichten harmonierte.
Und als Dessert ein Schokoladen-Küchlein und ein Vanilleeis. Mehr ging nicht … Für uns war es ein vorgezogenes Hochzeitsessen, das uns lange in Erinnerung bleiben wird. Auch dank des aufmerksamen Services.
An der Hotelrezeption erhielten wir mit dem Stadtplan einen Hinweis auf eine Route, die in unser Wochenendprogramm passte:
Wer wohnte wo in Stettin ?
Wenn man der blauen Route im Stadtplan Bedeutende Stettiner und ihre Mietshäuser folgt, kann man 13 Mietshäuser aufsuchen, in denen bekannte Stettiner Persönlichkeiten einst wohnten. Wir begannen unseren Spaziergang am Grunewaldplatz, zu dem man zu Fuß oder mit der Straßenbahn (Linie 11, 12, 5) kommt. In der ul. Rayskiego 29 wohnte beispielsweise Kurt Tucholsky (1890 Berlin – 1935 Göteborg). Der Romanautor (u.a. Schloss Gripsholm), Lyriker, Kritiker, Pazifist und Antimilitarist verbrachte seine frühen Kindheitsjahre in Stettin.
Am Platz Szeregów (al. Wojska Polskiego 63) treffen wir auf das Mietshaus, in dem Wilhelm Meyer-Schwartau (1854 Schwartau – 1935 Stettin) lebte. Als Architekt und preußischer Baubeamter hinterließ er in Stettin viele Spuren: Das Städtische Museum und die Haktenterasse sind wohl seine bekanntesten Werke in Stettin. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Stettiner Zentralfriedhof.
Zwei Häuser weiter, in der Nr. 61) machten wir im Café MIEJSCE eine Kaffeepause. Ein Platz für eine besondere Kaffee- oder Teepause. Ein bisschen alternativ, junge Leute betreiben es. Niklas „serviert“ uns die leckerste Zimtschnecke, die wir bisher gegessen haben.
So frisch und lecker … auch der Kaffee und Cappuccino schmecken. Und wir können hier die Akkus unserer Handys aufladen. Und nach einer kurzen Pause setzen wir unseren kleinen Rundgang auf den Spuren bekannter Stettiner fort. Über die rechterhand liegende Straße Wielkopolska 29, wo Helena Majdaniec (1941 Rajon Roschyschtsche, Ukraine – 2002 Stettin) lebte, gelangen wir zu dem im Plan mit der Nr. 9 gekennzeichneten Miethaus, in dem der Erfinder und Autokonstrukteur Emil Stoewer lebte.
Von 1858 bis 1945 machten die Gebrüder Stoewer mit ihrer Firmengeschichte Stettin bekannt, neben Autos bauten sie auch Nähmaschinen, wie wir im Technikmuseum erfuhren.
einfachraus auf den Spuren der Gebrüder Stoewer im Technikmuseum Stettin.
Im Stettiner Museum für Technik und Kommunikation kann man die bekanntesten Objekte ihrer Firmengeschichte besichtigen: Fahrzeuge (Autos und Fahrräder), Nähmaschinen und Schreibmaschinen, die die Firma Stoewer einst in Stettin produzierte, sind für Fans die eindrucksvollsten Exponate.
Auf dem Stettiner Zentralfriedhof finden wir seine Grabstätte.
Direkt in der Nähe des Mietshauses von Stoewer ist das Rektoratsgebäude der Stettiner Universität, das ebenfalls sehenswert ist. In der Ferne ist die City Hall, das „grüne“ Rathaus/Stadtverwaltung von Stettin zu sehen mit dem Denkmal für Papst Johannes Paul II. Doch diese Stationen liegen auf der „Goldenen Route“. Diesen Rundweg werden wir auf einem weiteren Wochenendtrip erkunden.
Wir gehen auf der Allee Jana Powła II zurück zum Grundwaldplatz. Diese neue Allee bietet nicht nur genügend Sitzplätze für müde Leute, sondern auch kleine Kunstausstellung im freien Raum. Ein breiter Fahrradweg ist ein weiteres Plus in der Allee. Fußgänger, Autofahrer, Fahrradfahrer kommen sich nicht in’s Gehege.
Bunkertour in Stettin – unter Hauptbahnhof
Wir begeben uns auf einer unterirdischen Route in die Stettiner Vergangenheit. Diese beginnt unterhalb des Bahnhofs, der aufgrund von Bauarbeiten beschwerlich zu erreichen ist. Wir empfehlen vom Hotel aus ein Taxi zu nehmen oder wer gut zu Fuß ist, kann über die Hakenterrasse dorthin gelangen.
Der Eingang zur unterirdischen Bunker-Route befindet sich auf der ersten Bahnsteigplattform.
Eintrittskarte in den Bunkerkomplex mit den Führungsrouten
einfachraus besuchte Sehenswürdigkeiten in Stettin, hier weitere Tipps.
Ende Mai eröffnet in Stettin das Maritime Bildungszentrum in Sichtnähe der Hakenterrasse.
Schaut hier ein erster Eindruck.
Weitere Informationen zu Stettin (polnisch Szczecin) findet ihr hier: www.visit.szczecin.eu
oder www.visit.westpomerania.eu
Hier geht es zum wunderbaren Stettin-Panorama
Dank an Joanna Niespodzianska vom Radisson blu Stettin, die uns Tipps (und diese Bücher) für unseren Wochenendaufenthalt in ihrer schönen Stadt gab.
Weitere Informationen über touristische Angebote in Polen beim Polnischen Fremdenverkehrsamt, www.polen.travel
Stettin vom Panoramacafe aus erleben
Das Café befindet sich im 22. Stock von Pazim – einem der höchsten Gebäude in Stettin. Der kugelförmige Grundriss des Café 22 ermöglicht es Ihnen, die Stadt und ihre Umgebung von allen Seiten zu betrachten!
Stettin erleben mit der Touristcard
Es gibt zwei Versionen der Stettiner Touristenkarte – 24 Stunden (für 20 PLN) oder 72 Stunden (für 30 PLN).
Die Karte bekommt man:
- online über den Dienst GoPay (indem Sie die Stettiner Touristenkarte im Dropdown-Menü auswählen)
- über die GoPay-App für iOS– und Android-Smartphones (nach Auswahl der Stadt „Szczecin – Karta Turystyczna“ Zakup biletu > Okresowy > Normalny)
- in jedem Touristeninformationszentrum in Stettin:
- Touristisches Informationszentrum in der Blumenallee, Pl. Żołnierza Polskiego 20, Tel. +48 914 340 440, E-Mail: cit@zstw.szczecin.pl
- Kultur- und Tourismusinformationszentrum im Schloss der Pommerschen Herzöge, ul. Korsarzy 34, Tel.+48 914 891 630, E-Mail: info@zamek.szczecin.pl
- Touristisches Informationszentrum im Bosmanat, ul. Zbożowa 3
- North East Marina (Wyspa Grodzka – Inseln Grodzka)
Ich wünsche mir eine Bahnverbindung Berlin-Stettin-Berlin im Stundentackt. Dann wird es einfacher einfach mal so nach Stettin zu fahren um bummeln zu gehen. Stettin hat sich sehr toll entwickelt.