Im Sommer 2024 fand im polnischen  Bydgoszcz (Bromberg) die Weltkanalkonferenz statt. In unserer Serie „Kanäle Europas“ stellen wir heute vor: Augustów-Kanal

Bogdan Dyjuk brennt regelrecht für den Augustow Kanal. Vor 200 Jahren wurde mit dem Bau des 102 Kilometer langen Wasserbauwerks begonnen. Das Engagement des 63-Jährigen ist verständlich, Bogdan ist Präsident der Lokalen Aktionsgruppe Augustow Canal in der Stadt Augustow in der Region Podlachien m nordöstlichen Teil Polens. Augustów liegt etwa 250 Kilometer nordöstlich von Warszawa (Warschau) entfernt.

Podlachien.Augustow.Polen

Die bewegte Geschichte des Bauwerks können Besucher am besten im liebevoll gestalteten Kanalmuseum von Augustów in der einstigen Hafenmeisterei kennenlernen.

Im in der einstigen Hafenmeisterei von Augustów liebevoll eingerichteten Kanalmuseum erfährt man mehr über die Planungen und den Bau des Kanals.  Das aufwändig errichtete Wasserbauwerk sollte die Flusssysteme von Weichsel und Memel miteinander verbinden und das russische Teilungsgebiet Polens unabhängig von preußischen Zöllen machen. Heute ist der Kanał Augustowski ein beliebtes Ziele für Aktivurlauber im Nordosten Polens. . Für die Menschen in der Woiwodschaft Podlaskie (Podlachien) und die Anrainerkommunen, die in der Association of „Local Action Group Augustow Canal“ zusammen arbeiten, ist der Kanal mit seiner touristischen Infrastruktur ein auch wirtschaftliches Standbein.  Überregional spielt der Kanal eine große rolle nicht nur bei Technikfreaks, die weltweit Kanäle besuchen und auf den regelmäßig stattfindenenden Weltkanalkonferenzen über Wasserbau, Biodiversität und ökologische Aspekte ihrer Kanäle Erfahrungen austauschen.  Seine naturnahe Beschaffenheit verleiht dem Augustów-Kanal seinen besonderen Reiz. Natürliche Flussläufe und Seen wurden von West nach Ost mit mal längeren, mal kürzeren Durchstichen verbunden.

18 Schleusen für 54 Meter Höhe

Insgesamt 18 Schleusen regulieren über seinen Verlauf Höhenunterschiede von 54 Metern. Rund 82 Kilometer des Augustow-Kanals verlaufen heute auf polnischem, die restlichen knapp 20 Kilometer auf belarussischem Boden. Seit Corona und dem Ukrainekrieg bleibt die 13. Schleuse, der Grenzübergang zwischen Polen und Weissrussland (nächste Stadt ist dort Grodno) den Wassersportlern verschlossen.

Podlachien.Augustow.Polen Augustowkanal

Die Ausstellung zeigt unter anderem die Originalpläne aus der Hand von Ignacy Prądzyński (1792-1850). Der Unteroffizier und Veteran der Napoleonischen Kriege war von der polnischen Generalität mit der Planung des Jahrhundertbauwerks beauftragt worden.

Patrycja Kopiczko erklärt kompetent die Geschichte des 200 Jahre alten Augustowkanal im Kanalmuseum

Patrycja Kopiczko erklärt kompetent die Geschichte des 200 Jahre alten Augustowkanal im Kanalmuseum

Wohnhaus der Schleusenwärterfamilie

Technisches Meisterwerk

Die Entstehung des Kanales war durch die veränderte geopolitische Situation nach dem Wiener Kongress 1815 motiviert worden. Damals kamen weite Teile Zentral- und Nordostpolens, die nach der dritten polnischen Teilung zunächst preußisch und habsburgisch wurden, an das Zarenreich. Der Kanal sollte für das neue russische Teilungsgebiet eine Alternative zur zollpflichtigen Nutzung preußischer Gewässer werden. Bis dahin mussten Handelswaren über die preußischen Häfen Danzig, Königsberg oder Memel ausgeführt werden. Nur zwei Jahre nach dem Spatenstich von 1824 wurde Prądzyński wegen Zugehörigkeit zu einem polnisch-patriotischen Geheimbund inhaftiert. Zwar kehrte er nach seiner Entlassung 1829 zum Bau zurück, der wurde aber 1831 wegen des bewaffneten Novemberaufstandes vorübergehend eingestellt. Prądzyński gehörte zu den führenden Befehlshabern der aufständischen Polnischen Armee und befand sich von 1832 bis 1834 in der Verbannung im Wolgagebiet. Während eines Kuraufenthaltes starb er 1850 auf der Insel Helgoland.

Nach der Niederschlagung des Aufstandes wurde der Kanal bis 1839 bis zu seinem heutigen Endpunkt an der Memel fertiggestellt. Die Weiterführung zum lettischen Ostseehafen Ventspils wurde wegen Streitigkeiten zwischen den zaristischen Behörden und der polnischen Verwaltung nie begonnen. Zudem senkten die preußischen Behörden bereits zuvor ihre Strafzölle auf Waren aus dem russischen Teilungsgebiet, so dass der Kanal seine eigentliche Bestimmung nie erfüllte. In der Folge wurde er vor allem für den Holztransport genutzt.

Darek von der regionalen Tourismusorganisation Szot hält unser Boot in der Schleuse

Darek von der regionalen Tourismusorganisation Szot hält unser Boot in der Schleuse

Hund des Schleusenwärters

Hund des Schleusenwärters

Touristische Attraktion von europäischem Rang

Heute ist der Kanal mit seinen denkmalgeschützten Schleusen eine touristische Attraktion der nordöstlichen Woiwodschaft Podlasie. Erste Ausflugsschiffe verkehrten bereits Ende des 19. Jahrhunderts auf der Wasserstraße.Die Weiße Flotte bietet mehrere Rundfahrten durch die Seen und Teile des Kanals an, unter anderem zum Sanktuarium in Studzieniczna. Beliebt ist der Kanal besonders bei Paddlern. Er ist Teil der Czarna Hańcza-Route, die an Polens tiefstem See Hańcza beginnt und in etwa einer Woche durch die dünn besiedelte Region des Wigry-Nationalparks und der Augustower Heide führt. Entlang der Strecke gibt es eine sehr gut ausgebaute Infrastruktur für Wasserwanderer.

Kanal.augustow.Polen

Fünf heben oder Senken in eine der durchfahrenen Schleusen

Mitte des 19. Jahrhunderts verkehrten auf ihr vor allem Salzfrachter Richtung Litauen. Später diente der Kanal dazu, Holz zu flößen. Sein Erhaltungszustand ist ausgesprochen gut. Viele der Originalgebäude sind noch erhalten. Dazu gesellt sich das unberührte Landschaftspanorama der umgebenden Nadelwälder. An der Schleuse von Kuzyniec ist noch ein frühes betoniertes Zugbrückenfundament zu sehen – eines der ersten Beispiele dieser Art in Europa.

as Foto im Kanalmuseum erinnert an die Holzflösserei

Das Foto im Kanalmuseum erinnert an die Holzflösserei

Beliebtes Wassersportrevier

Bereits in den 1920er Jahren galt der Kanal als Touristenattraktion, seit 1968 steht der polnische Teil unter staatlichem Schutz. Rund 20 Kilometer des Kanalverlaufs liegen im heutigen Weißrussland, wo man hofft, die touristischen Angebote entsprechend dem polnischen Vorbild zu verbessern. In Polen können Besucher bereits jetzt Kanus oder Motorboote besteigen oder mit einem Boot von Schleuse zu Schleuse fahren. Überdies lädt dort ein Treidelpfad dazu ein, die 39 Kilometer von Augustow nach Mikaszowka zu Fuß oder auf dem Fahrrad zurückzulegen.

Kanalchef Bogdan erzählt uns, dass Paddler, wenn sie alle Schleusen „durchfahren“ rund zwei Tage brauchen, um den Kanal auf polnischer Seite zu erleben. Da erinnere ich mich an den Finowkanal im Barnim in der Nähe Berlin. Schaut hier.

Paddeltour auf Czarna Hańcza / Augustów- Kanal

Kajaktouren bietet Szot an. Hier weitere Informationen.

Naturidylle

Fahrt mit Katamaran über Biale Augustowskie bis Schleuse Przewiec bei Studzieniczna

Der Wallfahrtsort Studzieniczna liegt etwa sieben Kilometer von Augustów entfernt auf einer Landzunge im See. Neben der Kapelle auf der Insel erinnert ein Denkmal für Papst Johannes Paul II. zum Gedenken an seinen Besuch im Juni 1999. Die „Papal Trail“-Kreuzfahrt dauert etwa drei Stunden in beide Richtungen und eine Stunde in eine Richtung.

 

Der Wallfahrtsort Studzieniczna liegt etwa sieben Kilometer von Augustów entfernt auf einer Landzunge im See. Neben der Kapelle auf der Insel erinnert ein Denkmal für Papst Johannes Paul II. zum Gedenken an seinen Besuch im Juni 1999.

Nähere Informationen zuden Routen der Weissen Flotte erhaltet ihr hier: 

Beata und Bogdan präsentieren ihre Region mit dem Augustoq Kanal

Weitere Informationen

Nur 200 Meter von der einzigen Doppelkammerschleuse des Kanals befindet sich eine empfehlenswerte Ausflugsgaststätte: 

Kanal.augustow.Polen Podlachien

Übernachtung in Augustow

Hotel Warszawa , Augustów ul. Zdrojowa 1 Hotel Warszawa

Weitere Informationen

Dreimal Augustów-Kanal – Der Östliche Radweg Green Velo

https://www.zeglugaaugustowska.pl/en/

Der Kanal gehört zur Europäischen Route Industriekultur.

Recherche erfolgte auf Einladung  der Stadt Augustow,  der Region Podlachien und Polnischen Fremdenverkehrsamt 

Was man noch sehen sollte:

Kamaldulenser Kloster in Wigry, 

Traditionelle Baumkuchenherstellung

Nächste Station: Biebrza Nationalpark

Der Biebrza Nationalpark wurde 1993 ins Leben gerufen, um das größte und besterhaltene, in einem sumpfigen Flusstal gelegene Moorgebiet der Europäischen Union zu schützen. Mit einer Fläche von 59223 Hektar ist es der größte Nationalpark in Polen. Im Biebrzatal sind eine einzigartige Pflanzen- und Tierartenvielfalt sowie zahlreiche natürliche Ökosysteme erhalten geblieben. Nachgewiesen wurden hier 280 Vogelarten, davon 178 Brutvögel. 48 Säugetierarten sowie die größte Elchpopulation polenweit – ca 600 Elche – konnten hier festgestellt werden. Nennenswert ist auch das Auftreten von einigen Wolfsrudeln, Luchsen, zahlreichen Bibern und Fischottern. Hier geht es zur Homepage des Nationalparks

Wo liegt Podlasie/Podlachien ?

Poldlasie (Podlachien) liegt im äußersten Nordosten von Polen und gilt mit vier Nationalparks als eines der Naturparadiese Polens. Podlasie umfasst eine Gesamtfläche von 20.180 Quadratkilometern. Mit 1,2 Millionen Einwohnern und einer Bevölkerungsdichte von 60 Einwohnern pro Quadratkilometer liegt Podlasie auf Platz zwei der am dünnsten besiedelten Regionen Polens. Die Hauptstadt Białystok zählt rund 290.000 Einwohner. Die Landschaft Podlachiens prägen eiszeitliche Hügellandschaften und die Ausläufer der Masurischen Seenplatte im Norden, weite Flussgebiete im Zentrum und eine der letzten zusammenhängenden europäischen Urwaldflächen im Südosten.

Weitere Informationen über das Reiseland Polen beim Polnischen Fremdenverkehrsamt

Polnisches Fremdenverkehrsamt • Kurfürstendamm 130 • 10711 Berlin • Web: www.polen.travel • Facebook: www.facebook.com/polen.travel • Instagram: www.instagram.com/polen.travel

Hier ein weiterer Kanal unserer Serie Europas Kanäle  Oberlandkanal in Masuren