Von Veit-Mario Thiede

Mit seinen Kirchenbauten hat Johann Bernhard Fischer von Erlach das Stadtbild Salzburgs entscheidend mitgeprägt. Der 1656 in Graz geborene Sohn eines Bildhauers starb vor 300 Jahren in Wien. Fischer von Erlach war einer der bedeutendsten Architekten der Barockzeit. Das Salzburg Museum in Österreich ehrt ihn mit einer Sonderausstellung, deren zweite Station das Wien Museum sein wird. Nach seiner Bildhauerlehre beim Vater begab sich Fischer in den frühen 1670er Jahren nach Rom, wo er die Bekanntschaft des berühmten Bildhauers und Architekten Giovanni Bernini machte. Das Studium seiner Bauwerke und der in Rom erhaltenen antiken Monumente bildeten das künstlerische Kapital, mit dem Fischer nach Österreich zurückkehrte. Der Kaiserhof ernannte ihn 1689 zum Architekturlehrer des elfjährigen Thronfolgers Joseph I. In Wien hat uns Fischer bedeutende Bauwerke hinterlassen: Stadtpaläste von adeligen Auftraggebern sowie heute viel besuchte kaiserliche Bauwerke. Nach Fischers Plänen wurde 1696 mit der Errichtung des riesigen Schlosses Schönbrunn begonnen. Bauherr der prachtvollen Karlskirche und der Hofbibliothek mit ihrem prunkvollen Kuppelsaal war Kaiser Karl VI. Fischer erstellte die Baurisse und die Entwürfe der Innenausstattung. Nach seinem Tod vollendete sein Sohn Joseph Emanuel die Bauwerke.

„Dies alles nach des Herrn Fischers Riss“

Im Salzburg Museum stellen uns originale und reproduzierte Architekturentwürfe Fischers sowie zeitgenössische Kupferstiche seine Wiener und Salzburger Bauprojekte vor. Deren heutiges Erscheinungsbild und auch das der italienischen Bauwerke, die Fischer Anregungen vermittelten, veranschaulichen uns großformatige Farbfotografien. Sie stammen vom Bildhauer und Fotografen Werner Feiersinger, der überdies die Ausstellungsgestaltung übernahm. Internationale Bekanntheit erlangte Fischer bereits zu Lebzeiten durch seinen „Entwurff Einer Historischen Architectur“. Das 1721 im Druck erschienene Werk ist der erste Versuch einer Universalgeschichte der Architektur in Bildern. Die Kupferstiche und auch Vorzeichnungen zu ihnen sind ausgestellt. Etwa Fischers Interpretation und Rekonstruktion der antiken Weltwunder, der Kultstätte Stonehenge und bedeutende Beispiele türkischer, arabischer und chinesischer Bauaurt. Auch eigene Gebäude präsentiert Fischer in seiner Architekturgeschichte.

Große Aufmerksamkeit gilt in der Salzburger Version der Sonderschau natürlich Fisches dortiger Hinterlassenschaft. Ein Holzmodell stellt uns das um zwei Innenhöfe errichtete Priesterseminar vor, in dessen Mitte sich die mit einer hohen Kuppel ausgestattete Dreifaltigkeitskirche befindet. Fischers Entwurfszeichnungen und die die vollendeten Bauwerke dokumentierenden Kupferstiche zeigen etwa die mitsamt Klostergebäuden auf trapezförmigem Grundriss erbaute Markuskirche, das aufwändig gestaltete Portal des Hofmarstalls, Schloss Kleßheim oder den aus drei Ovalen und drei Quadraten zusammengesetzten Grundriss des Hoyos-Schlösschens. Ein anderes Blatt zeigt den Entwurf für die Kanzel der Johannesspitalkirche. Fischer hat nämlich nicht nur die Bauwerke entworfen, sondern auch den Fassadenschmuck und die Innenausstattung. Für deren Verwirklichung sorgten bedeutende Künstler wie der Bildhauer Bernhard Michael Mandl, auf den die Skulpturen von anmutigen und schlanken Heiligen, Engeln, der Verkörperungen von Glaube, Liebe und Hoffnung sowie der kraftstrotzende Rossbändiger vor dem Hofmarstallgebäude zurückgehen. Fischers bevorzugt engagierte Stuckateure waren die Italiener Diego Francesco Carlone und Paolo de Allio, in deren Werkverträgen es wiederholt heißt: „Alles dies nach des Herrn Fischers Riss und Angaben.“

Seine Salzburger Bauten schuf Fischer im Auftrag des Fürsterzbischofs Johann Ernst Graf Thun und Hohenstein, für den er von 1693 bis zu dessen Tod 1709 tätig war. Die von Johann Ernst aus eigener Tasche finanzierten Gotteshäuser, insbesondere die Dreifaltigkeitskirche, die Kollegienkirche und die Johannesspitalkirche, muss man unbedingt gesehen haben. Und ebenso den von Fischer entworfenen Hochaltar der Franziskanerkirche. Sogleich nach dem Betreten dieser Kirche zieht einen der golden leuchtende Hochaltar unwiderstehlich an. In einem Portal, das gleichsam das Tor zum Himmel darstellt, tritt eine aus dem Vorgängeraltar übernommene mittelalterliche Madonnenfigur in Erscheinung. Über ihr schwebt in eleganter Schräglage Gottvater.

Johann Bernhard Fischer von Erlach Kollegienkirche Foto: Veit-Mario Thiede

Johann Bernhard Fischer von Erlach zeichnete auch für die Johannesspitalkapelle verantwortlich. Foto: Veit-Mario Thiede

Fischers künstlerische Sprache versteht Architektur als plastisches Gestalten mit geometrischen Grundkörpern wie Quader Zylinder und Kuppel. Seine von zahlreichen Engeln bevölkerten Gotteshäuser sind symmetrisch, setzen auf riesenhafte Bauelemente, die den Menschen ganz klein aussehen lassen, und zeichnen sich durch überwältigende Lichtwirkungen aus. So streben etwa in der Kollegienkirche zwei auf doppelt mannshohen Sockeln stehende Säulenschäfte in schwindelerregende Höhe. Zwischen ihnen findet ein einzigartiges frommes Schauspiel in Weiß und etwas Gold satt. Durch die beiden Fenster der Apsis dringt „überirdisches“ Gegenlicht, das die Stuckfigur der Madonna Immaculata hinterfängt. Einige der sie in den Wolken begleitenden 71 Engel halten die Erdkugel auf, der die Madonna steht. Von der unbefleckten Jungfrau geht ein goldener Strahlenkranz aus, während die Augen im Gesicht der goldenen Mondsichel zu ihr aufschauen.

Johann Bernhard Fischer von Erlach hat auch die Innenausstattung der Johannesspitalkirche entworfen

Johann Bernhard Fischer von Erlach schuf auch die Innenausstattung der Johannesspitalkirche  Foto: Veit-Mario Thiede

Durch einen Besinnlichkeit erzeugenden Hell-Dunkel-Effekt zeichnet sich die zwischen den beiden Flügeln eines Spitals aufragende Johanneskirche aus. Der Hauptaltar steht auf einer Bühne, zu der eine zweiläufige Treppe führt. Unter dem Altar befindet sich eine Krypta, in die eine einläufige Treppe geleitet. Die im Halbdunkel liegende Krypta mutet wie eine Grotte an. Das ist einzigartig im Kirchenbau. Die Krypta gemahnt an die Endlichkeit des Lebens. An der Wand befindet sich die lateinische Inschrift: „Schenke ihnen ewige Ruhe.“ Geradezu beglückend ist der Effekt, wenn man sich zur Treppe umdreht und der Blick die dunklen Stufen hinauf den verheißungsvoll hellen Kirchenraum erreicht.

Bis 8.10.2023 im Salzburg Museum, Neue Residenz, Salzburg,  Informationen: www.salzburgmuseum.at.

Weitere Station ist ab 1.2.2024 das Wien Museum. Informationen: www.wienmuseum.at.

Reiseinformationen: www.salzburg.info

Fotos: Veit-Mario Thiede