Willkommen zum Flug durch das „Goldene Zeitalter“ des Luftverkehrs. Wann wird man in einem Buch so herzlich eingeladen? Sitzt man im Flugzeug, überhört man ihn meistens vor Aufregung. Ich sitze auf der Terrasse, über mir kreist ein Hubschrauber, sicher wieder auf dem Weg zu einem Unfall auf der nahen Autobahn. – Auf unserer Terrasse kann ich meine Gedanken schweifen lassen – wann war das „Goldene Zeitalter“?

„Come fly with me“

Ich blättere in dem opulent ausgestatteten Bildband von Wolfgang Borgmann „Das goldene Zeitalter des Luftverkehrs“. Wolfgang Bormann schreibt: „ Eine unwiderstehliche Faszination übte das Fliegen als neues Reiserlebnis auch auf die Musik- und Filmbranche der 50er- und 60er-Jahre aus. Frank Sinatra’s 1958 veröffentlichter Hit „Come fly with me“ gilt bis heute als Hymne an den Traum von Flugreisen in ferne Länder. Das originale LP-Cover schmückt denn auch eine Zeichnung mehrerer Lockheed L-1649A „Jetstream“-Propellerflugzeuge der Trans Word Airlines.“ 

Eine Zeitreise durch drei Jahrzehnte

Das Buch lädt zu einer Zeitreise durch drei faszinierende Jahrzehnte des Luftverkehrs – in eine Zeit, als Flugreisen noch das Privileg einer begüterten Elite waren. In den späten 40er- und frühen 50er-Jahren kostete eine Flugreise über den Atlantik fast soviel wie ein Kleinwagen und selbst in den 60er-Jahren war Fliegen noch weit vom heutigen Massentourismus entfernt. Entsprechend luxuriös und „schick“ wurde seinerzeit noch gereist. Diese Ära, mitsamt ihrem Zeitgeist, wird hier mit zeitgenössischen Fotos, Broschüren und Plakaten wieder lebendig. Borgmann lädt ein, den Ausflug in eine längst vergangene Epoche zu genießen. Die kleine Schrift macht das allerdings fast unmöglich. 

Heute ist der Traum von einer Flugreise in ferne Länder für viele Menschen Wirklichkeit geworden. Ob der Klimapolitik steht sie heute in der Kritik. Das Motto lautet heute eher: „Statt Fliegen – Bahnreisen“. Wenn es denn so einfach wäre, alle haben in den vergangenen Monaten erfahren müssen, dass man sich auf die Bahn immer weniger verlassen kann. Also bleibt das Fliegen nach wie vor eine bevorzugte Offerte. 

„Jet-Set“ Inbegriff des illustren Flugreisens

Zurück zur Geschichte: „Mit dem Einzug des Düsenluftverkehrs zu Beginn der 60er-Jahre wird der „Jet-Set“ zum Inbegriff des illustren Flugreisens der vermögenden High Society. Doch mit Einführung der günstigeren „Economy-Reiseklasse etabliert sich das Flugzeug fortan immer mehr auch als Transportmittel für Jedermann. Ein Meilenstein auf diesem Weg ist das Jahr 1957, in welchem erstmals mehr Menschen im Flugzeug den Nordatlantik überqueren als an Bord eines Ozeandampfers. Dies lässt sich gut am Beispiel der Lufthansa darstellen: Lag die durchschnittliche Auslastung pro Flug knapp über 40 Fluggästen, verdoppelte sie sich 1960, dem ersten Jahr der Boeing 707-Jets sprunghaft auf über 80! Weitere vier Jahre später hatte das Flugzeug die Schnelldampfer auf dem Nordatlantik weit abgeschlagen – 1964 reiste nur noch jeder sechste Passagier per Schiff zwischen Europa und Nordamerika.“

Foto Motorbuch Verlag

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Spektakuläre Flughafengebäude entstehen

Zwangsläufig mussten sich wegen der ständig steigenden Passagierzahlen und der größer werdenden Flugzeuge in den 20er-Jahren auch die damaligen Flugfelder dem Fortschritt anpassen. Der Luftbahnhof im damaligen ostpreußischen Königsberg vereinigte erstmals alle für einen Flugbetrieb erforderlichen Funktionen unter einem Dach. Die Hamburger Architekten Dyrssen & Averhoff entwickelten diese ersten Ansätze weiter, „und kreierten das bis heute in den Airport-Terminals der Welt fortlebende Prinzip der getrennten Funktionsbereiche Fracht- und Postabfertigung. An- und Abflugbereiche, die Besucherzone, Verwaltung und Flugsicherung waren im Hamburger Terminal erstmalig auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelt.“ 

Bis zu Beginn des Zweiten Weltkriegs folgten rund um den Globus weitere ,spektakuläre Flughafengebäude. Wie beispielsweise jenes des Berliner Zentralflughafens Berlin-Tempelhof, das 1939 eröffnet wurde, und zeitweilig als das größte Gebäude der Welt galt. 

Unterbrochen von den Kriegswirren stiegen die Passagierzahlen ab 1945 steil nach oben. Neue Flughäfen, wie der 1948 eingeweihte New Yorker Idlewild Airport, 1963 in John F. Kennedy International Airport (JFK) umbenannt entstanden in der Folgezeit.“ Wahre Kathedralen des Fortschritts entstanden am JFK. Pan American legte 1960 mit ihrem „Worldport“ vor. Trans World Airlines (TWA) folgte 1962 mit einer futuristisch anmutenden Kreation des finnisch-amerikanischen Star-Architekten Eero Saarinen. Beide Airlines sind in den 90er-Jahren bankrott gegangen. „Doch erst im Herbst 2013 opferte Delta Air Lines, als letzter Eigentümer, den „Worldport“ weiteren Flugzeugabstellpositionen. Das unter Denkmalschutz stehende und inseinen Originalzustand versetzte „TWA Flight Center“ steht hingegen bis heute und wirkt wie zu seinen besten Tagen. Es soll Teil eines Hotelkomplexes werden, der die Geschichte der TWA zum zentralen Thema hat. Dabei achtet die Port Authority, als derzeitige Eigentümerin des Terminals, strikt darauf, dass an der historischen Bausubstanz keine Veränderungen vorgenommen werden.

Flugzeug wird Massenverkehrsmittel

1970 war das Flugzeug endgültig zum Massenverkehrsmittel geworden. Das Fliegen verlor allmählich an Glanz. Steigende Kerosinpreise und der permanente Wettbewerbsdruck zwingen die Fluglinien bis heute immer mehr Sitze in ihre Flugzeuge einzubauen, um deren Effizienz und somit den Ertrag zu steigern.

Wolfgang Bormann, Das goldene Zeitalter des Luftverkehrs. Motorbuch Verlag Stuttgart. 1. Auflage 2023. ISBN 978-3-613-04520-0. www.motorbuch-verlag.de

alle Fotos aus dem besprochenen Band MotorbuchVerlag

Hier weitere Geschichten zum Fliegen von Wolfgang Will, einem excellenten Kenner der Luftfahrtgeschichte